In der RHEINPFALZ veröffentlicht!
Freunde, ihr nervt gewaltig
Quintessenz: Ein Appell an alle Schmutzfinken:
Entsorgt euren Dreck dort, wo er hingehört – im Mülleimer
und nicht auf der Straße
von Steffen Gierescher
Pizzakartons mit angekautem Inhalt, Verpackungen von Schokoriegeln, vollgerotzte Taschentücher, Kippen wie Sand am Meer – der Gehweg vor unserer Haustür sieht bisweilen aus wie ein Abfallstreuselkuchen. Obwohl dort ein Mülleimer angebracht ist und der nächste nur ein paar Schritte entfernt hängt. Da vergeht einem nicht nur der Appetit, da schwillt einem der Kamm. Es ist jeden Tag das Gleiche: Frühmorgens sammle ich den Unrat ein und packe ihn in die Tonne. Komme ich spätabends nach Hause, sieht’s wieder genauso deprimierend aus. Das i-Tüpfelchen sind die Hinterlassenschaften von Hunden am Straßenrand. Sorry, aber das ist zum Kotzen. Und ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, dem das Thema auf den Nägeln brennt, beziehungsweise an den Schuhsohlen klebt.
Ich lebe und arbeite gerne in Ludwigshafen. Und mir ist bewusst, dass mein Wohnort in West kein einfaches Pflaster ist. Im Viertel gibt’s seltsame Kneipen mit einer Klientel, der man besser aus dem Weg geht. Es gibt öfter Schlägereien. Blaulicht und Martinshorn reißen meine Familie und mich häufiger aus dem Schlaf.
Wie auch Besoffene, die lauthals herumgrölen. Zudem ist der Bürgersteig die Verbindung von Bus oder Bahn zu zwei Schulen. Der Asphalt zeugt penibel davon, was einige Jungs und Mädels unterwegs zum Unterricht gefrühstückt haben.
Und: Im Umfeld hausen Tagelöhner, Stichwort Arbeiterstrich, die sich ein winziges Zimmer teilen. Sprich: Der soziale Mix ist – vorsichtig formuliert – sehr unausgewogen.
Diese Tatsache an sich stört mich gar nicht. Im Gegenteil: Ich habe früher im Hemshof gelebt, wo sich die Situation kaum anders darstellt. Multikulti ist für mich weder ein Schreckgespenst noch ein Wunschtraum, sondern schlicht und ergreifend ein Zeichen von Vielfalt. Diese Form des Zusammenlebens kann funktionieren: Der türkische Gemüsehändler, der italienische Frisör oder der griechische Gastronom – sie alle haben hier ihren Platz. Viele bereichern Ludwigshafen, wo Menschen aus 150 Nationen weitgehend friedlich mit- und nebeneinander existieren. Diese Form des Zusammenlebens kann aber auch scheitern, wenn sich Ghettos mit eigenen Spielregeln bilden. Und wer – wie ich – ganz bewusst Teil eines solch quirligen Oberzentrums mit weit über 170.000 Menschen ist und das mehr oder weniger pulsierende Leben auch spüren will, der erwartet keine Oase der Ruhe, geschweige denn das Flair einer verkehrsberuhigten Reihenhaussiedlung.
Aber man darf sehr wohl erwarten, dass jeder seinen Abfall korrekt entsorgt: dass Flaschen in und nicht neben dem Glascontainer landen, dass Zigaretten in den Aschenbecher und nicht aus dem Autofenster geworfen werden, dass Sperrmüll in den Wertstoffhof und nicht ans Rheinufer gehört. Da geht es um Respekt, gute Nachbarschaft und das Klima in einer Stadtgesellschaft.
„Dreckspatzen“, denen das egal ist, hat Jutta Steinruck beim Neujahrsempfang den Kampf angesagt. Ich sage den Schmutzfinken: Freunde, ihr nervt gewaltig. Wenn Sie sich dem anschließen, schneiden Sie die Kolumne einfach aus, heften sie an jede Ampel oder teilen sie in sozialen Netz-werken. Vielleicht hilft’s ja. Auch, um die Oberbürgermeisterin an ihr Versprechen zu erinnern.
RHEINPFALZ vom 14.02.2019
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