Ostern - Die Umwertung aller Werte
Die offene Tür gibt den Blick frei. Gräber, geschmückt mit Blumen. Leben aus dem Tod. Das Kreuz umrankt mit Grün und Blüten. Totes Holz und neues Leben. Versunken in den Tod. Doch die Liebe trägt hindurch. Das ist die Botschaft von Ostern.
Das Kreuz. Folter und Hinrichtung. Ein schreckliches Sterben. Doch der Tod ist immer schlimm. Auch wenn er natürlich ist. Was ist schon „natürlich“?
So vieles ist natürlich, aber wir wollen es nicht. Die Natur ist gnadenlos. Sie ist kalt und hart wie der Fußboden aus Stein, über den wir gehen. Sie wendet uns ihr mitleidloses Auge zu und sieht zu, was aus uns wird. Ohne Partei zu ergreifen, wer stirbt, der stirbt. Und das ist dann das Ende.
Der Tod ist immer grausam. Auch wenn er erlöst. Auch wenn das Leben keinen Sinn mehr zu haben scheint. Auch wenn da scheinbar nichts mehr zu gewinnen ist. Der Tod bricht Beziehungen ab. Er beendet, was im Leben wichtig war. Er zeigt uns die letzte Grenze. Unüberwindbar.
Unsere Liebe trauert. Sie zerbricht am Tod. Das Grab ist kein Ort für uns. Wir können dort nur stehen und sehen, wie unsere Liebe uns entgleitet. Der Tod hat für uns keine Antworten. Jedes Warum scheitert. Wir bleiben zurück.
Trotzdem: Blumen auf dem Grab. Es zieht uns hier immer wieder her. Da ist ein Sehnen in uns, ein Gefühl dafür, dass es noch nicht vorbei ist. Dass da immer noch jemand ist, mit dem wir sprechen können. Jemand, der vielleicht auf uns wartet. Der uns nun immer nahe ist. In unseren Herzen und in unseren Gedanken. Blumen sind das letzte Zeichen, ein Zeichen für das Leben.
Wir akzeptieren den Tod nicht. Wir finden uns nicht mit ihm ab. Er bleibt für uns ein Feind. Über den Tod hinaus reicht unsere Sehnsucht. Unsere Hoffnung ist nicht auf diese Welt beschränkt. Unsere Liebe geht weiter. Und Ostern ist unser Grund dafür. Gottes Liebe ist unsere Zuversicht.
An Ostern wird das Kreuz verwandelt. Deshalb schmücken wir es. Deshalb stellen wir es in die Mitte unserer Gotteshäuser. Weil es das Zeichen ist, das Gott alles, wirklich alles verwandeln kann. Das grausame Instrument des Todes macht er zum Zeichen der Liebe. Die Umwertung aller Werte beginnt hier. Die Hoffnung gegen den Augenschein, die Zuversicht gegen das Wahrscheinliche, das Glauben an etwas, das eigentlich unglaublich ist. Es beginnt hier. Es beginnt an diesem Holz.
Gott hält seine Liebe durch. Er geht in den Tod und überwindet ihn. Er weckt auf, was tot ist. Das tote Holz am Kreuz lebt auf. Die Liebe Gottes führt uns aus dem Tod in eine neue Existenz. Wir gewinnen uns selbst. Das, was uns ausmacht, kommt ans Licht und wird bei Gott bewahrt.
Grün erscheint jetzt das Kreuz. Blüten sind zu sehen. Das Leben treibt aus. Die Blumen auf den Gräbern blühen und zeigen, dass der Tod nicht das Ende ist.
Die Tür ist weit geöffnet. Eine Aussicht eröffnet. Wir können hindurch gehen. Licht strahlt zu uns herein. Ein Versprechen von Wärme und Helligkeit. Der Weg ist da. Die Hoffnung ist begründet. Der Tod ist vom Leben besiegt. Die Liebe hat triumphiert. Eine neue Zeit ist angebrochen. Es ist Ostern.
Pfarrer Dr. Paul Metzger
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