Wie es zum Bau der Wohnsiedlung Pfingstweide kam

von Altbürgermeister Günther Janson (+ 1999)



für die Festschrift der ARGE Pfingstweide anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Pfingstweide 1994
(mit freundlicher Genehmigung der ARGE Pfingstweide)


In seiner Einleitung schrieb Günther Janson:


Sehr gerne bin ich der Bitte der ARGE Pfingstweide nachgekommen, in dieser Erinnerungsschrift ein wenig zu beschreiben, zu dokumentieren, wie es zum Bau der Wohnsiedlung Pfingstweide kam, in der jetzt vor 25 Jahren, in der zweiten Novemberhälfte des Jahres 1969, die ersten Mieter ihre Wohnungen bezogen haben.
In der jungen Geschichte unserer Stadt war es bis dahin noch nie gelungen, auf einem so großen geschlossenen Baugebiet in einem Zug einen neuen Stadtteil, auch wenn er nicht als solcher gilt, "aus dem Boden zu stampfen" - in einer großen, gemeinsamen Anstrengung, in einer beispielhaften Zusammenarbeit von Stadtrat, Verwaltung, der Landesregierung, der BASF AG und den großen Wohnungsbaugesellschaften GAG, GEWOGE und LUWOGE.


Das Baugebiet, die Pfingstweide, auf Edigheimer Gemarkung war einst nichts anderes als eine Viehweide, von Fluten des nahen Rheines immer wieder überschwemmt, in dieser Zeit landwirtschaftlich kaum nutzbar, nur als Weide für das Vieh der Edigheimer Bauern, aber erst nach Pfingsten; deshalb der Name PFINGSTWEIDE. Das änderte sich zum Besseren, noch nicht zum Guten, nach dem Bau des heute aufgelassenen Frankenthaler Kanals (Bauzeit von 1773 bis 1777) und mehr noch durch die Tulla'sche Rheinregulierung, abgeschlossen 1826.


Groß war auf der Pfingstweide der sogenannte Edigheimer Allmendbesitz, gemeinsam genutztes und aufgeteiltes Gemeindegut, vererbbar, eine Versicherung gegen Armut und Nöte im Alter. Viele der meist älteren Bürger von Edigheim lebten in jenen armen Zeiten ausschließlich vom oft kärglichen Ertrag ihrer Allmenden. Auch "bespannte Bauern" hätten ohne ihre Allmende nicht bestehen können.


Das große Areal der Pfingstweide mit seinen Äckern, den Flure, Wiesen, Wasserlöchern, mit der Bleiche (im Volksmund "Bleech" genannt), das man in seinen Teilen heute ein "großes Feucht- biotop" nennen würde, rückte nach dem zweiten Weltkrieg immer mehr in den Blickpunkt der Stadtplaner einer schnell wachsenden Stadt, auch deshalb, weil Allmendberechtigte auf ihr vererbtes Recht verzichteten. Nach einer Anregung aus dem Stadtrat untersuchte das Stadtplanungsamt im Jahr 1959 das Gebiet der Pfingstweide, ob dieses, als Gewerbegebiet ausgewiesen, erschlossen und genutzt werden könnte - mit einem negativen Ergebnis: Die Planung wurde aufgegeben.


Trotz einer großen Wiederaufbauleistung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnte wegen des anhaltenden Zuzugs von bis zu 6.000 Menschen im Jahr - heimkehrende Evakuierte, Heimat- vertriebene, Flüchtlinge - die bedrückende Wohnungsnot in unserer Stadt nicht gebannt werden, weshalb sich der Stadtvorstand entschloss, dem Stadtrat den Bau einer großen Wohnsiedlung in der Pfingstweide zu empfehlen. Die GAG erhielt 1964 den Auftrag, einen Bebauungsplan-Entwurf zu erstellen, der zusammen mit zwei Anträgen von SPD und CDU zur Bekämpfung der Wohnungsnot am 7. März 1966 im Stadtrat drei Stunden lang sehr lebhaft und sehr kontrovers debattiert wurde, ohne dass es zu einer Entscheidung kam, aber zu dem Beschluss, mit allerersten Erschließ- ungsmaßnahmen in der Pfingstweide zu beginnen und unverzüglich mit dem Vorstand der BASF Gespräche über das geplante Wohnungsbauvorhaben aufzunehmen, was dann auch am 18. und 25. März 1966 mit Beteiligung der Vorsitzenden der im Stadtrat vertretenen Parteien geschah.


In der folgenden Stadtratssitzung, die am Nachmittag des 25.3.1966 stattfand, wurde dem Rat, für diesen und die Lokalzeitungen völlig überraschend, eine zwischen der Stadt Ludwigshafen und der Badischen Anilin- und Sodafabrik getroffene Vereinbarung mit dem folgenden Wortlaut vorgetragen:

"Stadt und BASF haben in gemeinsamen Beratungen die Wohnungsbau-Situation in Ludwigshafen erörtert. Sie sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass in Zusammenarbeit der Stadt und der BASF der Wohnungsbau zur Wohnraumversorgung der Bevölkerung der Stadt und der Belegschaft der BASF beschleunigt werden soll.


Im einzelnen wurde folgendes vereinbart:


1. Im Hinblick auf die umfangreiche Expansion, welche die BASF im Jahr 1965 in ihrem Werk Ludwigshafen begonnen hat und in den folgenden Jahren fortsetzen wird, erklärt sich die Stadt Ludwigshafen bereit, die Wohnbebauung des Siedlungsgebietes Pfingstweide gemeinsam mit der BASF auszuführen.
Die BASF übernimmt die Planungsführung. Sie wird den vorliegenden Bebauungsplan überprüfen und den Notwendigkeiten der gemeinsamen Bauträgerschaft zwischen Stadt und BASF anpassen.
Die Stadt erklärt sich bereit, den Schwerpunkt der Bebauung der BASF zu übertragen. Das Beteiligungsverhältnis wird im einzelnen noch in besonderen Beratungen festgelegt.
Die Beteiligten verpflichten sich, alles zu unternehmen, um den im Stadtrat vorgetragenen Zeitplan zu beschleunigen und dabei den Baubeginn des Wohnungsbaues im Jahr 1967 zu gewährleisten."


Die Vereinbarung enthielt noch eine weitere, in der festgelegt war, dass auch in künftigen (näher bezeichneten) Baugebieten eine gemeinsame Bebauung erfolgen sollte, die allerdings nicht zum Tragen kam.


Die von Oberbürgermeister Dr. Werner Ludwig vorgetragene, mit der BASF getroffene Vereinbarung wurde von den Fraktionsvorsitzenden unterstützt; für die SPD von Horst Schork, zugleich Ortsvorsteher von Oppau-Edigheim, für die CDU von Dr. Helmut Kohl, für die FDP von Karl Heinrich Weckauf. Daraufhin stimmte der Stadtrat der Vereinbarung mit der BASF und damit auch der gemeinsamen Wohnbebauung von Stadt (GAG) und BASF in der Pfingstweide - bei zwei Enthaltungen - aus folgenden Gründen zu:

  1. Zum Zeitpunkt der Stadtratsentscheidung waren bei der Stadt 7.000, bei der BASF 3.000 Wohnungssuchende gemeldet.
  2. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz stellte durch Ministerpräsident Peter Altmeier (CDU) die Förderung des Bauvorhabens in Aussicht, sagte zu, öffentliche Wohnungsbaudarlehen für die von der GAG zu erstellenden Sozialwohnungen wie auch mIttel aus einem Sonderprogramm für Industriebeschäftigte für den Bau von Wohnungen durch die BASF- Gesellschaften GEWOGE und LUWOGE bereitzustellen; was auch geschah.
  3. Die Vereinbarung wurde vom Oberbürgermeister und den Fraktionsvorsitzenden als eine "beachtliche Vorleistung der Stadt für eine künftige Konzernverwaltung der BASF mit Sitz in Ludwigshafen" gewertet (um den Sitz der Konzernverwaltung wurde um diese Zeit sehr heftig diskutiert und spekuliert).

Nach dem Stadtratsbeschluss vom 25. März 1966 erhielt der Frankfurter Architekt Professor Albert Speer, erster Preisträger eines von der BASF-GEWOGE geplanten Bauvorhabens in Birkenheide, den Auftrag, innerhalb von sechs Wochen gutachtlich festzustellen, ob die Erschließung des Baugebietes Pfingstweide in der vorgesehenen Weise erfolgen kann oder ob eine Änderung der Bebauung vorgenommen werden muss.
Im Laufe dieser Untersuchung kam es vornehmlich nach dem Willen der BASF zu einer wesent- lichen Änderung des Bebauungsplan-Entwurfes der GAG, zu einer städtebaulichen Neuplanung mit einer stärker verdichteten Wohnungsbebauung. Neben den vorgesehenen viergeschossigen Wohn- gebäuden und neungeschossigen Punkthäuseren plante Albert Speer gestaffelte Kettenhäuser von sieben Geschossen in den Randgebieten bis zu siebzehn Geschossen im Zentrum, dem Mittelpunkt, in dem die Infrastruktur-Einrichtungen konzentriert angeboten werden sollten. Der Stadtrat stimmte dieser Planung zu, die der künftigen Wohnsiedlung den Charakter einer Trabantenstadt verlieh.

Das bis dahin größte Wohnungsbauprojekt in Rheinland-Pfalz konnte wie vorgesehen am 1. Sep- tember 1967 begonnen werden. Der Bau war nicht zuletzt auch deshalb möglich geworden, weil die alteinge-sessenen Edigheimer Bürger auf ihr seit 1849 verbrieftes Allmendrecht verzichtet hatten und mit der Umwandlung der Allmendnutzung in ein Entschädigungsrecht einverstanden waren.


Vor einer großen Schar von Repräsentanten des öffentlichen Lebens bezeichnete Oberbürgermeister Dr. Werner Ludwig den 1. September 1967 als einen bedeutsamen Tag in der neueren Stadtgeschichte, an dem mit dem Baubeginn der neuen Wohnsiedlung Pfingstweide der noch immer herrschenden Wohnungsnot mit einer großen Anstrengung begegnet und dazu führen wird, dass sehr vielen wohnungssuchenden Familien eine Wohnung zugewiesen werden kann.


In seiner Ansprache bezeichnete BASF-Direktor Dr. Hans Moell den Wohnungsbau seines Unter- nehmens als einen "bemerkenswerten Zweig unserer Sozialpolitik".


Dann gab Oberbürgermeister Dr. Werner Ludwig mit einer Handbewegung das Zeichen für den ersten "Spatenstich", der erstmals von einem Bulldozer vollzogen wurde.



Zur Geschichte der Wohnsiedlung Pfingstweide gehört, dass die Wohnungen schneller gebaut waren als die soziale Infrastruktur, was für ein "Trabantenstadt" dieser Größe ziemlich große Probleme mit sich brachte. Diese so schnell wie möglich zu beheben, die notwendigen Einrichtungen mithelfen zu schaffen oder zu fördern, gehörte mit zu meinen Aufgaben.


Zum Glück war bei dem abschnittsweisen Bezug der Siedlung die Grundschule, nach und nach auch die beiden Kindergärten der beiden Kirchen und die Kindertagesstätten der Stadt fertig gestellt, das Einkaufszentrum mit seinen Läden im Bau.


Das Gemeinschaftsleben in der in Rekordzeit wachsenden Pfingstweide-Siedlung nahm in Provisorien seinen Anfang. Zu den ersten Treffpunkten, zu Begegnungsstätten, wurden genutzt: der kleine Saal der Grundschule, die Baubaracke einer Firma und das Holzhaus der Stadtsparkasse nach deren Auszug - am Tage als "Altentagesstätte" am Abend als Vereinsheim. Auch die beiden Kirchen begannen ihre Gemeindearbeit in Provisorien, hielten auch in ihnen so lange ihre Gottesdienste ab, bis die Pfarrzentren gebaut waren. In diesen gewährten die Kirchen den Vereinen - auch den Parteien - ein selbstverständliches Gastrecht.


Das für mich Beglückende jener Anfangsjahre:


Die aus allen Teilen der Stadt und von außerhalb zugezogenen Menschen fanden sehr früh zuein- ander, schufen mit Pioniergeist, mit einer beispiellosen Toleranz ein sich gegenseitig unterstützen- des Gemeinschaftsleben, das bis in die Gegenwart wirkt - getragen von allen, den Kirchen mit ihren Zweigen, den Parteien, den Vereinen, den Organisationen, vor Ort zeitig installiert oder gegründet, sehr selbstständig tätig, alle auch in der Arbeitsgemeinschaft zusammen geführt, die sich auch zu einem Beratungsgremium für viele Fragen entwickelt - wie z.B. der Planung der Jugendfarm oder des Gemeinschaftshauses -, die zu einem Verein, einer Bürgerinitiative wurde und als Partner der Ver- waltung sowie der Stadt- und Ortsbeiräte wirkt.


So wuchs das Gemeinschaftsleben mit vielen Facetten und vielen Gemeinsamkeiten; die Pfingst- weide ist in einer relativ kuren Zeit zu einem lebendigen Stadtteil geworden, in dem sich die Bewoh- ner wohl- und zu Hause fühlen, der vielen Heimat ist, für andere es noch werden kann.

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